Einsam bist du sehr alleine. Aus der Wanduhr tropft die Zeit. Stehst am Fenster. Starrst auf Steine. Träumst von Liebe. Glaubst an keine. Kennst das Leben. Weißt Bescheid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit. Wünsche gehen auf die Freite. Glück ist ein verhexter Ort. Kommt dir nahe. Weicht zur Seite. Sucht vor Suchenden das Weite. Ist nie hier. Ist immer dort. Stehst am Fenster. Starrst auf Steine. Sehnsucht krallt sich in dein Kleid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit. Schenkst dich hin. Mit Haut und Haaren. Magst nicht bleiben, wer du bist. Liebe treibt die Welt zu Paaren. Wirst getrieben. Musst erfahren, dass es nicht die Liebe ist ... Bist sogar im Kuss alleine. Aus der Wanduhr tropft die Zeit. Gehst ans Fenster. Starrst auf Steine. Brauchtest Liebe. Findest keine. Träumst vom Glück. Und lebst im Leid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Das erschütterndste aller Liebesgedichte (neben der „Sachliche Romanze“) schrieb Erich Kästner im Jahr 1947. Es berührt auch heute noch die Menschen, jung und alt. Viele Künstler*innen inspirierte das Gedicht zu Interpretationen auf unterschiedlichste Weise. Musikalisch: zum Beispiel in einer neuen Vertonung von Martin Gehrigk, oder in einer nostalgischen von Arno Assmann aus dem Jahre 1969 oder – immer wieder gerne – von Hildegard Knef. Der SAHNEWORTE Rezensionstipp: Andreas Turnsek – hier zu sehen und zu hören in einer Liveaufnahme aus der musikalischen Lesung „Einsam bist du sehr alleine“ (Gesang: Stephanie Marie Turnsek), gefilmt von Ingo Fucking von der TV-Fabrik:

Tipp: Es gibt sogar zwei Kurzfilme über Erich Kästners „Kleines Solo“: von Matthias Kober und Marie-Jeanne Finke (Regie) mit Lotta Doll und Christopher Angsten (Schauspieler) oder von einverhexterort mit der Musik von „Waking Dream“ (Dave Thomas 2011).