Wieder gut gemacht?

Die deutsche Terrorherrschaft hat zu millionenfach – im Namen des Staates – begangenem Unrecht geführt. Verfolgte aus allen Ländern Europas hatten oft lebenslange schwerste körperliche und seelische Beeinträchtigungen zu ertragen. Und wer an Leib und Leben verschont blieb, sah seine wirtschaftliche Existenz vernichtet oder sein Vermögen entzogen. Wie ging die Bundesrepublik mit den Opfern und Geschädigten um? Gab es für alle oder wenigstens die meisten eine „Wiedergutmachung“?

Lohnt es, sich über 70 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches noch mit diesem Thema zu beschäftigen, ist es nicht längst abgeschlossen? Die „Zeitzeugen“, die unter dem faschistischen Terror gelitten haben, werden in der Tat immer weniger. Dafür sind die Zeiten heute leider so, dass „völkisches“ Gedankengut bei einem nicht mehr zu vernachlässigenden Teil unserer Gesellschaft wieder offen propagiert wird. Dies sollte Anlass genug sein, sich einmal anhand des Buches von Schmitz-Berg mit der Bewältigung der nationalsozialistischen Verbrechen nach dem Krieg zu befassen.

„Wo Anteilnahme sich verliert, beginnt Vergessen“

Johann W. von Goethe

Schmitz-Berg liefert in einem ersten Abschnitt seines Werkes die wesentlichen Fakten zu den rechtlichen Grundlagen und der Praxis der Wiedergutmachungsbehörden. (…) Wie die Antragsteller im konkreten Fall behandelt wurden, belegt der Autor in einem zweiten Teil eindrücklich an einzelnen Beispielen. Der abstrakte Begriff „Menschenschicksal“ wird hier (sprachlich wohltuend nüchtern) mit Inhalt gefüllt, der den Leser nicht kalt lässt. (…)

In einem dritten Abschnitt stellt Schmitz-Berg Persönlichkeiten vor, die bei der Wiedergutmachung eine wesentliche Rolle spielten – Richter, Rechtsanwälte, Mitarbeiter der Verwaltung und Interessenvertreter. Er arbeitet heraus, dass es vielfach allein ihrem Engagement zu verdanken war, wenn die hehren Intentionen der Wiedergutmachungsgesetze mit Leben gefüllt wurden. Millionen Tote, all das Leid nationalsozialistischer Herrschaft konnte man nicht „wiedergutmachen“.

„Jede Leidensgeschichte, die erzählt wird, ist ein wichtiger Schritt gegen das Vergessen“

Manfred Schmitz-Berg

Schmitz-Berg weist nach, dass die Bundesrepublik zum ersten Mal in der Geschichte den Versuch unternommen hat, das justizförmig begangene faschistische Verbrechen mit rechtsstaatlichen Mitteln wieder gut zu machen. Fazit: Ein „Sachbuch“, dem eine breite Leserschaft zu wünschen ist. (Rezension von Dr. Einhard Franke (DAG a.D.) / Auszüge aus: „rista“ 6/2017)

Der Autor: Manfred Schmitz-Berg (* 1950), seit 1978 Richter in verschiedenen Rechtsgebieten und seit 1998 am Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf; seit 2002 Nebentätigkeit als Vorsitzender einer arbeitsrechtlichen Schlichtungsstelle in der ev. Landeskirche/diakonisches Werk; seit 2013 Güterichter im OLG; seit 2014 Mediator. (Quelle: Grupello Verlag, ISBN 978-3-89978-265-3)

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